Neun Wochen waren wir schon auf der Insel und nun ging es endlich los: Vier Tage wandern in Cilaos, also in einem der drei beeindruckenden Talkessel Réunions waren geplant. Ihr erinnert euch? Unsere erste kurvenreiche Schnupper-Fahrt ins satte Grün? Nun wollten wir die gesamten 400 Kurven mit unserem kleinen Polo schaffen und starteten bei herrlichstem Wetter morgens um 8:30 Uhr. Voller Vorfreude kamen wir unten im Tal an, befestigten noch eben die GoPro auf der Motorhaube, damit wir auch ja beweiskräftiges Material sammeln könnten: 400 dramatische Kurven? Los ging’s. Es ist kaum zu glauben, aber nach etwa einer Stunde „schlängel hin und schlängel her“, zwei dunklen, wenig vertrauenserweckenden Erdhöhlen, äh Tunneln 😱, war es gar nicht so schlimm, sondern eher wie eine riesiger Weihnachtskalender mit 400 Türchen. Hinter jeder Tür bzw. Kurve schauten wir neugierig, wie sich der Anblick des Talkessels erneut veränderte: neue Berge? höhere Berge? neue Täler? kleine pittoreske Siedlungen? Flüsse? Wasserfälle? Es war eine herrlich aufregende Fahrt. Das Wetter war fantastisch und wir hatten solch eine Fernsicht! Wir staunten durchgängig, bis wir oben in der kleinen Stadt Cilaos ankamen.
Schnell checkten wir im Hotel ein, denn schließlich wollten wir jede der 96 Stunden so gut es ging nutzen. Nachdem wir uns an diesem Markttag in Cilaos durch das bunte Gewimmel von entspannten Touristen, Marktständen und Einheimischen zur Kirche treiben ließen, konnte nun die 1. Wanderung zum Cascade Bras Rouge und La Chapelle beginnen. Es ging traumhaft bergab bis zum ersten kleinen Wasserfall, der natürlich ersteinmal von uns „bebadet“ werden musste. Fritzis hüpfte voller Begeisterung wieder als Erste ins klare kühle Blau und wir trauten uns dann in üblicher Reihenfolge so langsam hinterher: Marcus, Pauline und dann, kurz bevor alle wieder draußen waren, schaffte ich es auch 🥶.
Frisch abgekühlt machten wir uns wieder auf den Weg. Es ging über schmale Pfade an begrünten Felsen entlang weiter hinab ins Tal. Oh mein Gott war das heiß 🥵. Zum Glück waren wir diesmal mit Wasser und Proviant ausgestattet, so dass wir recht entspannt nach einer weiteren Stunde am Cascade ankamen. Dort erwarteten uns schon ungewöhnlich viele Ausflügler, die sich überall verstreut in den Wasserbecken entspannten. Leider mussten wir ab hier eher über Steine klettern und, wie zum Arche Naturelle, durch das Wasser stapfen oder mithilfe der Steine drüberhüpfen.
Die Umgebung war fantastisch, also entschieden Fritzi und ich, dass wir uns eine kleine Verschnaufpause genehmigen würden. Wir fanden ein kleines „Wasserloch“ mit Forellen. Kaum tauchte Fritzi schon wieder nach den Fischen, hörte ich ein lautes Rufen meines getriebenen Entdeckers und Fotografen. Marcus wedelte mit den Armen und rief. Oh nein, ist Pauline doch zu waghalsig gewesen und hatte sich verletzt? Panik!!! Ich lief Marcus so schnell es hier eben ging entgegen und da war es klar: Er hatte sich verletzt und leider nicht zu knapp. Marcus war an einem Stein abgerutscht, dagegen gekracht und hatte sich dabei den großen Zeh gebrochen. Ich war tatsächlich trotz der Situation ein klein wenig erleichtert: nicht der Kopf, das Bein, sondern der große Zeh. Das Problem war ziemlich schnell klar: Hier unten kann keiner ohne Hubschrauber gerettet werden und Marcus schien das zu übertrieben. Nun gut… er wollte es versuchen und quälte sich tatsächlich ganze 2 Stunden mit einem gebrochenen Zeh nach oben. Als er es endlich geschafft hatte, war Marcus schon ziemlich fertig und hatte starke Schmerzen. Daher blieb nur eine Lösung: Wir fuhren zum Krankenhaus in Cilaos, er völlig entkräftet und ich ohne Führerschein 🙈. Leider hatten die wirklich liebevollen und hilfsbereiten Ärzte/ Krankenschwestern vor Ort keine Möglichkeit, die Verletzung zu röntgen. Also trafen wir eine für uns sehr traurige und für mich ehrlich gesagt auch etwas mehr als beängstigende Entscheidung: Zelte abbrechen und 400 Kurven und 2 grässliche Erdhöhlen im Dunkeln zurückfahren, damit Marcus in Saint Pierre in der Notaufnahme untersucht werden könnte.
Die Mädels hatten alles schon soweit zusammengeräumt und so beendeten wir unseren überwiegend schönen Tag in Cilaos mit einem faszinierenden Sonnenuntergang über den Bergen und einer gruseligen Fahrt ins Tal.
Schon bei Tageslicht ist ja die kurvenreiche Strecke nicht ohne. Aber etwas müde, im Dunkeln und dann noch mit dem Wissen, das jetzt wirklich nix passieren darf, weil ich ja gar nicht als offizieller Fahrer eingetragen bin, fährt es sich irgendwie noch schrecklicher. Ich stand ehrlich gesagt ziemlich unter Strom und musste mich so dermaßen konzentrieren, weil es keine Straßenbeleuchtung gab und ich manchmal nur die Kurven erahnen konnte. Zudem mag ich Tunnel ja schon im Hellen nicht, geschweige denn solch instabile bei Nacht. Man sieht ja kein Licht mehr am Ende 😩.
Aber wir haben es geschafft. Irgendwann gegen 21:30 Uhr setzte ich Marcus bei der Notaufnahme ab. Aufgrund der COVID-Bestimmungen durfte ich ihn nicht begleiten. Da wir alle noch kein Mittag gegessen hatten, machte ich mich also auf Futtersuche. In der Pizzeria „Giulletta“ erbarmte sich meiner ein lieber Mitarbeiter und machte für uns trotz baldiger Schließung noch schnell eine wirklich fantastische Pizza.
Leider setzte ich dann nochmal an einer nervigen überhöhten Bordsteinkante das Auto auf und zerschrammte ordentlich den Unterboden. Echt jetzt? Nach weiß ich wieviel Jahren unfallfreier Fahrt passierte das gerade jetzt? Ich durfte doch offiziell gar nicht fahren und wollte doch nur etwas zu essen kaufen, damit niemand mehr Hunger leiden muss 😇 und all das, während ich auf meinen Mann in der Notaufnahme wartete… Mir war das aber schon irgendwie egal, es ärgerte mich zwar, aber es war nur Plastik und ich einfach so unfassbar müde.
Am Ende machten wir Mädels uns eher einen Spaß daraus aufzuzählen, wie verrückt dieser Tag war: traumhafter Start bis zum Nachmittag und dann holterdipolter: Zehbruch (Marcus), Sonnenbrille hinüber (Marcus hatte sich draufgesetzt), Spülmittel (beinahe) getrunken ( Wer? Marcus leider schon wieder 🙈) und am Ende Auto leicht geschrottet (zum Glück von mir 😂, welch eine Tragik).
Gegen Mitternacht wurde Marcus endlich aus der Notaufnahme gerollt. Unsere laienhafte Diagnose war bestätigt: sein linker großer Zeh war angebrochen. Glück im Unglück: es hätte ja auch ein Splitterbruch sein können, mit notwendiger OP. Aber so? Think positive 👍😃
Das war ja noch mal eine schöne „Verabschiedung“ von dieser fantastisch schönen Insel für uns. Wenn auch schmerzhaft, so doch ganz schön spannend und aufregend. Ich hoffe ihr kommt jetzt im kalten Paris zurecht und freue mich auf die nächsten Berichte, Bilder und Filme von Costa Rica. Seid gedrückt, eure Kerstin 👋